„Dauernder Friede kann nicht durch Drohungen, sondern nur durch den ehrlichen Versuch vorbereitet werden, gegenseitiges Vertrauen herzustellen.“ Albert Einsteins Zitat betont die wichtige Rolle des Vertrauens für die Friedensbildung. Vor allem in der Folge von Gewaltkonflikten tun sich die beteiligten Gruppen schwer einander zu vertrauen. Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, wie Konflikte hinreichend weit deeskaliert werden können, um einen behutsamen Vertrauensaufbau zwischen Konfliktgruppen zu ermöglichen. Dafür stellen wir zunächst zwei Arten von Spannungsabbau vor: zum einen die „Graduated and Reciprocated Initiatives in Tension-Reduction“ GRIT-Strategie, die über schrittweise entgegenkommende und transparente Initiativen Spannungen zwischen Konfliktgruppen abbauen soll. Zum anderen führen wir ein niedrigschwelliges, instrumentell-pragmatisches Vertrauenskonzept ein. Haben Gruppen überwiegend negative Erwartungen bezüglich der Intentionen und des Verhaltens anderer Gruppen, ist es unrealistisch, freundschaftliche Beziehungen zu erwarten. Auf der Grundlage von Nutzenerwägungen und Risikokontrolle können sich instrumentell-pragmatisches Vertrauen entwickeln und erste Annäherungen stattfinden.

Anschließend geht es um den Vertrauensaufbau, der sich qualitativ vom Spannungsabbau unterscheidet: Vertrauensaufbau erfordert eine Wandlung von negativen Erwartungen bezüglich der Intentionen und des Verhaltens der anderen Seite zu positiven Erwartungen und der Akzeptanz des Risikos, Nachteile zu erleiden. Dies bedeutet eine wissenschaftliche und praktische Herausforderung: Wie können diese Erwartungen gezielt verändert und Vertrauen aufgebaut werden? Vertrauen ist als subjektives, flüchtiges Konzept schwer zu fassen und ein Vertrauensaufbau langwierig und fragil. Vertrauen ist multidimensional und in verschiedenen Kontexten werden unterschiedliche Vertrauensdimensionen relevant, die gezielt aufgebaut werden können. Um das Problem der Multidimensionalität zu adressieren, schlagen wir das „Intergroup-Trust Modell“ (IGT-Modell) vor, das speziell für Gruppenkonflikte entwickelt wurde. Mit fünf Vertrauensdimensionen bietet es ein umfassendes und zugleich überschaubares Konzept, auf dem vertrauensbildende Interventionen aufgebaut werden können. Dritt- und Konfliktparteien haben oft intuitive Ideen, wie Vertrauen geschaffen werden kann. Mit dem IGT-Modell können diese Ideen systematisch strukturiert, evaluiert und korrigiert werden. Wir beabsichtigen mit unserem Kapitel ein Bewusstsein dafür zu schaffen, was Vertrauensaufbau zu einem schwierigen Prozess macht, und zugleich Ansatzpunkte für ihre Bewältigung zu bieten.

Schlüsselwörter: Vertrauen, Spannungsabbau, Vertrauensaufbau, Intergroup Trust Model, GRIT, Großgruppenkonflikte

Dr. Mariska Kappmeier

Dipl. Psych. 2006, Universität Hamburg, seit 2017 Senior Lecturer am National Centre for Peace and Conflict Studies der Otago Universität, Neuseeland. Sie schloss ihre Promotion zum Thema Vertrauensbildung 2012 an der Universität Hamburg ab. Danach arbeitete sie als PostDoc an der Harvard University, Cambridge, MA, USA, im Intergroup Relation Lab bei Professor Sidanius, wo sie das Intergroup Trust Model weiterentwickelte. Sie arbeitet vor allem an anwendungsbezogenen Projekten im Bereich Vertrauensbildung und Versöhnung.

Alexander Redlich

geb. 1947, Diplompsychologe, Professor für Pädagogische Psychologie, Studium der Psychologie, Sozialpädagogik und Pädagogik, seit 1976 Hochschullehrer am Institut für Psychologie der Universität Hamburg (Promotion 1979), Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Kommunikation, Kooperation und Konfliktbehandlung.