Um die diversen Ausdrucksformen von und die damit einhergehende vielfältige wissenschaftliche Beschäftigung mit Gewalt zu verstehen, unterscheidet dieser Beitrag zwischen fünf zentralen Diskussions- und Analysedimensionen: Neben einer Abhandlung der Formen und Spezifika direkter, physischer Gewalt werden die Konzepte der strukturellen, kulturellen und symbolischen Gewalt diskutiert. Entgegen dieser Unterscheidung zwischen beobachtbaren Gewalthandlungen und gewaltvollen Makro-Strukturen zielen weitere Ansätze darauf ab, Gewaltphänomene gerade durch das Zusammenbringen von Mikro- und Makro-Ebenen zu verstehen. Dabei lassen sich instrumentalistische Ansätze, welche Gewalt durch rationale Logiken erklären, von situationistischen Ansätzen, welche die Entstehung von Gewaltdynamiken aus der emotionalen Einordnung sozialer Situationen heraus betrachten, unterscheiden. Ansätze, die Gewalt hingegen aus der Dynamik eskalierender Kommunikationsprozesse heraus erklären, stellen schließlich die fünfte Analysedimension dar. Eskalierende Kommunikationsdynamiken können systemtheoretisch unterschiedlichen Organisationslogiken inhärent sein oder aus der Sequenzialität verschiedener Ereignisse entstehen. Über diese unterschiedlichen Auffassungen und Ansätze hinaus wird der Forschungsgegenstand vor dem Hintergrund gesellschaftskritischer Auseinandersetzungen mit Gewaltphänomenen eingeordnet: So werden neben der Einbettung von Gewalt in normative Vorstellungen von Zivilisation und Moderne auch Verfahren der Bearbeitung von Gewaltkonflikten sowie Konzeptionen der Gewaltfreiheit aufgegriffen.

Schlüsselwörter: Gewalt, direkte Gewalt, strukturelle Gewalt, kulturelle Gewalt, symbolische
Gewalt, Galtung, Moderne, soziale Ordnung, Eskalation, Situation

Dr. Thorsten Bonacker

geboren 1970, Professor für Friedens- und Konfliktforschung am Zentrum für Konfliktforschung der Philipps-Universität Marburg, studierte 1990-1996 in Marburg und wurde 1999 an der Carl-von-Ossietzky-Universität promoviert. Er forscht und publiziert vor allem zu Gewalt- und Frieden in der Weltgesellschaft und dabei insbesondere zu Staatsbildungsprozessen in Nachkriegs- und postkolonialen Gesellschaften, zum gesellschaftlichen Umgang mit Gewaltvergangenheiten sowie zu sexuelle und reproduktiven Rechten als globales Konfliktfeld.

Miriam Tekath

geboren 1991, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Promovendin am Zentrum für Konfliktforschung der Philipps-Universität Marburg. Zuvor studierte sie an den Universitäten Bremen, Montreal, Osnabrück und Marburg. Ihre wissenschaftliche Arbeit bewegt sich an der Schnittstelle zwischen einem politikwissenschaftlichen Forschungsinteresse und mikrosoziologischen Forschungsansätzen, um soziale Konflikte und deren Bearbeitung in politisch polarisierten Gesellschaften zu verstehen.