Wenn Menschen nicht mehr als Individuen betrachtet werden, sondern als Mitglieder einer bestimmten Gruppe, kann dies zur Entstehung von Konflikten zwischen Gruppen beitragen. Dafür verantwortlich sind psychologische Mechanismen wie die soziale Kategorisierung, Stereotypisierung und die Anwendung von Vorurteilen über andere soziale Gruppen. Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den Funktionen, der Entstehung und den möglichen negativen Konsequenzen dieser Mechanismen. Zwar stellen soziale Kategorisierung, Stereotypisierung und Vorurteile über andere Gruppen nützliche Hilfsmittel für Menschen dar. Soziale Kategorisierung und Stereotypisierung erfüllen beispielsweise basale kognitive Funktionen wie die Reduzierung von Komplexität im Umgang mit der sozialen Welt. Vorurteile können wiederum die Aufrechterhaltung eines positiven Bildes von sich selbst und der eigenen Gruppe fördern und erfüllen somit eine motivationale Funktion. Aber diese Mechanismen haben auch ihre Schattenseiten. Werden Stereotype durch soziale Kategorisierung aktiviert, dann können sie das Verhalten gegenüber der betreffenden Gruppe negativ beeinflussen. Auch wenn die Aktivierung von Stereotypen automatisch abläuft und schwer zu kontrollieren ist, bestehen doch Möglichkeiten, deren Auswirkungen und sogar die Aktivierung selbst zu unterbinden – beispielsweise durch eine hohe internale Motivation zu vorurteilsfreiem Verhalten. Ebenso kann die Aufwertung der eigenen Gruppe in soziale Diskriminierung und eine Abwertung von Fremdgruppen münden, wenn dies durch situative Faktoren wie Bedrohungserleben oder Persönlichkeitsvariablen wie Autoritarismus begünstigt wird. Neben den Funktionen und Folgen werden in diesem Kapitel auch die Faktoren beleuchtet, die zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Stereotypen beitragen. Dazu zählen die subjektive Wahrnehmung tatsächlicher Zusammenhänge zwischen Gruppenmitgliedschaften und Eigenschaften oder Verhaltensweisen, die Verwendung bestimmter sprachlicher Muster und die in einer Gesellschaft vorherrschenden Rollenbilder. Weiterhin gibt es globale Eigenschaftsdimensionen, anhand derer Menschen andere als Teil einer Gruppe beurteilen.

Schlüsselwörter: Soziale Kategorisierung, Stereotype, Vorurteile, Diskriminierung, Intergruppenbeziehungen

Kevin Winter

studierte Psychologie an der Eberhard-Karls Universität Tübingen (2011-2016). Dort schloss er 2019 auch seine Promotion mit einer Dissertation zum Thema “Open mind for a different view: A cognitive approach to improve intergroup relations” ab. Seither arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Institut für Wissensmedien in Tübingen (Arbeitsgruppe Soziale Prozesse). In seiner Forschung beschäftigt sich Kevin Winter mit der Veränderung von Einstellungen im Intergruppenkontext und darüber hinaus sowie den zugrundeliegenden kognitiven Prozessen.

Kai Sassenberg

hat an der Universität Mannheim studiert und an der Universität Göttingen promoviert. Er lehrte und forschte an der Universität Jena, der Universität Groningen, der Lehigh University und der University of Queensland. Seit 2008 ist er Arbeitsgruppenleiter am Leibniz- Institut für Wissensmedien und Professor an der Universität Tübingen. In seiner Forschung beschäftigt sich Kai Sassenberg mit Prozessen innerhalb und zwischen Gruppen vor dem Hintergrund von Theorien zur Selbst- und Emotionsregulation.