Der vorliegende Überblick verdeutlicht, dass sexualisierte Gewalt Individuen und Strukturen innerhalb der Gesellschaft in unterschiedlichen Facetten betrifft. Auch wenn sich die Situation zu einer immer bewussteren Auseinandersetzung mit der Thematik wandelt, prägen Sexismus und sexualisierte Gewalt gesellschaftliche Rollen und Chancen in direkten und subtileren Formen. Je mehr Personen glauben, dass Frauen andere gesellschaftliche Rollen einnehmen sollten als Männer und dass Männer mit hohem sozialen Status kompetenter seien als Frauen, desto geringer ist die ökonomische Gerechtigkeit zwischen Männern und Frauen in der Gesellschaft. Eine moderne, subtile Form des Sexismus ist die Leugnung der Diskriminierung von Frauen. Eine noch subtilere Form ist der wohlwollende Sexismus, der positive und ritterliche Einstellungen gegenüber Frauen vorgibt, aber dennoch mit feindseligem Sexismus und der Diskriminierung von Frauen zusammenhängt – insbesondere solcher Frauen, die nicht-traditionelle Geschlechterrollen einnehmen. Mit Blick auf die sexuelle Orientierung lässt sich festhalten, dass negative Voreinstellungen sowie rechtliche und zwischenmenschliche Diskriminierung in vielen Ländern in sinkendem Maße zu verzeichnen sind. Trotzdem sind die ermittelten Zahlen in Bezug auf befürchtete und erlebte Diskriminierung sowie „Hate Crimes“ alarmierend. Sie bestehen in allen Nationen, sind aber unterschiedlich stark ausgeprägt und mehr oder weniger subtil – dazu gehört die Negierung der Notwendigkeit gesellschaftlicher Veränderungsprozesse, die eng mit der Zustimmung zu Diskriminierung zusammenhängt. Sexualisierte Gewalt zeigt sich in gravierender Form in geschlechterbasierter und sexueller Belästigung wie auch Vergewaltigung – und in seiner extremsten Form in Form von Vergewaltigung als Kriegsmittel. Die Zahlen sprechen dafür, dass diese Formen von Gewalt eine gefährliche Präsenz im Leben Betroffener darstellen. Auch wenn sexualisierte Gewalt und Vergewaltigung in den meisten Ländern rechtlich strafbar ist, erfolgt die Definitionsgewalt darüber, was einvernehmliche und von Konsens geprägte Sexualität ist, häufig fremdbestimmt. Die überblickende Perspektive auf das Thema sexualisierte Gewalt verdeutlicht, dass individuelle Selbstbestimmung über den eigenen Körper und die eigene Sexualität sowie rechtliche Gleichstellung unabdingbare Voraussetzungen dafür sind, dass körperliche Unversehrtheit als menschliches Recht stärker akzeptiert und gelebt werden kann.

Schlüsselwörter: Sexismus, Einstellungen zur Homosexualität, Bisexualität, sexualisierte Gewalt, Vergewaltigung

Melanie Caroline Steffens

geboren 1969, ist Professo- rin für Sozialpsychologie an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität (RPTU) Kaiserslautern-Landau und leitet die Arbeitseinheit Sozial-, Umwelt- und Wirt- schaftspsychologie. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen gruppenbezogene Einstellungen, soziale Vielfalt und Diskriminierung mit einem Fokus auf Gender.

Claudia Niedlich

geboren 1988, ist derzeit Akademi- sche Rätin auf Zeit in Wirtschaftspsychologie an der RPTU Kaiserslautern-Landau. Zu ihren Interessen in der Forschung gehören Stereotype und Diskriminierung bei der Personalauswahl und das Thema Intersektionalität.